Gedankensplatter


postrap Pressetext von Christian Neubert

„I am what I am“ rappte Misanthrop schon zu guten alten Boarshill No. 1-Zeiten. Anno 99 also, als Hip Hop in Deutschland gerade mal den Kinderschuhen entstiegen war, aber immer noch mit Kinderkrankheiten zu kämpfen hatte. Und heute? Ist er immer noch der Gleiche: Eine unnachahmliche Persönlichkeit am Mic, frei von popkulturellem Kostümzwang und der unbedingten Bereitschaft, seine Rapskills mit tief blickender Introspektive in die Waagschale zu werfen.

Das braucht es auch, wenn die andere Waagschale von seinem postrap-Kollegen azabeats gefüllt wird. Leichtfüßig stemmt der Musikproduzent gewichtige Beats, die dringlich sind und Druck machen, dennoch aber von schwereloser Anmut sind, verankert nur von Kick und Snare. Azabeats schweift konsequent ab, nie aber in’s Beliebige. Er kombiniert eigentümliche Versatzstücke zu fetten Instrumentaltracks.

Nachdem sie sich als Labelmates oft die Bühne teilten, teilen sie sich nun das Studio. Das Ergebnis: Misanthrop auf azabeats, denkwürdig und naheliegend, es könnte auch umgekehrt sein. Auf der Gedankensplatter EP widersetzen sie sich ungewollt dem gesichtslosen Egoismus, der kettchenbehangen und mit Lederjacken über Nichts hinwegtäuschen will. Sie setzen Inhalt vor Parolen und kontern die ständig beschworene Sinnlosigkeit mit Leichtsinn und Weitsicht aus. Erstere hat lange nichts mehr mit Jugend zu tun, die zweite nichts mit Alter. Es geht ihnen um Zeitlosigkeit. Sie schaffen vollmundige Wertkost für einen übersättigten Markt. Hunger machen die Tracks der Gedankensplatter EP aber dennoch. Weil sie erkennen lassen, was Rap immer noch kann.

Schön, dass sich heute noch jemand Gedankensplatter macht!

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